kleines Schaf
© Kühn, 2001, V.2.1 Systematische Verhaltensbeobachtung - ein Fallbeispiel
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Der Unruhestifter

Tim (Name geändert; Anm. d. Verf.) ist 4 Jahre alt. Im Rahmen einer Jugendhilfemaßnahme ist er in einer Tagesgruppe für Vorschulkinder untergebracht. Die Gruppe und er haben es beide nicht leicht miteinander...

Tim gilt als noch nicht kindergartentauglich und schon nach zwei Wochen in der Tagesgruppe scheint auch dies kein angemessener Rahmen für ihn zu sein. Die ErzieherInnen sind ratlos. Tim kann nur über Schubsen oder Schlagen (auch mit Gegenständen) Kontakt mit den anderen Kindern in der Gruppe aufnehmen, zudem "nervt" er durch stereotypes Sprechen und Verhalten, z.B. ständiges Bedienen des Lichtschalters, Ratschen mit Gegenständen an den Rippen der Heizkörper entlang, ständig dieselben Fragen, auf die er immer nur dieselben Antworten akzeptiert. Gruppenaktionen, z.B. im Stuhlkreis, hält er nur unter Mühen aus. Es kommt zu ersten kritischen Bemerkungen anderer Kindeseltern, die ihre Kinder, die zum Teil jünger sind, gefährdet sehen. Es entsteht der Eindruck im Team, dass Tim in der Gruppe unzufrieden und überfordert ist.

Im Rahmen einer Fallbesprechung mit einer externen Fachkraft wird eine umfassende Verhaltensbeobachtung beschlossen. Diese soll sich in vier Schritten vollziehen:

  1. Ausführliche Vorbesprechung und Anamnese der bisherigen Entwicklung
  2. Durchführung einer unsystematischen Verhaltensbeobachtung
  3. Durchführung von systematischen Verhaltensbeobachtungen
  4. Auswertung und Planung

Das Verfahren wird sich also über einige Wochen hinziehen, bemerkenswert ist die Bereitschaft des Teams diese zusätzliche Anforderung mitzutragen.

1. Schritt: Die Vorbesprechung

Zunächst werden in einem Brainstorming Gedanken, Erfahrungen und Eindrücke der ErzieherInnen zusammengetragen. Dabei ergeben sich sehr bald zwei Fragestellungen als Schwerpunkt:

  • Ist Tim hier richtig, akzeptiert er seine Gruppenzugehörigkeit?
  • Wo und wann taucht sein Störverhalten auf, und warum?
Wie zu sehen ist, bricht die erste Fragestellung mit dem Anspruch der Unvoreingenommenheit, wie sie in der Einleitung postuliert worden ist, denn in ihr steckt bereits eine vorwegnehmende, ergebnisorientierte Sichtweise. Ich halte dies auch für akzeptabel, da das Ignorieren von Meinungen, Haltungen und Bildern, die im System "Tagesgruppe" bereits vorhanden oder in Entwicklung befindlich sind, in Phase 4, der Auswertung und weiteren Planung, zu erheblichen Störungen und Beeinträchtigungen führen können, wenn sie nicht bewußt zum Thema gemacht werden.

Doch nun zurück zum Fallbeispiel:

Die Beschäftigung mit Tims Biographie und Anamnese ergibt u.a. folgende Erkenntnisse: Unter schwierigen sozialen und familiären Bedingungen hat Tim mit grundlegenden Entwicklungsverzögerungen zu kämpfen. Eine zweijährige Frühförderung vom 1. bis zum 3. Lebensjahr kann wirksam dazu beitragen, dass Tim motorische und sprachliche Schwierigkeiten konstruktiv angehen kann. Die Frühförderung endet mit der Kindergartenempfehlung, damit er sich, mit Hilfe einer Stützkraft, nun Kompetenzen im sozialen Kontext aneignen kann. Die Eingliederung scheitert jedoch und führt zur Unterbringung in der Tagesgruppe. Die Frage taucht im Team auf, ob Tim eventuell Autist ist, dies wird jedoch durch ein kinderärztliches Gutachten widerlegt, auch wenn sein stereotypes Verhalten teilweise Ähnlichkeiten mit den Verhaltensweisen autistischer Kinder zeigt. Sein Sozialverhalten in der Gruppe lässt eher darauf schließen, dass er Kontakt sucht und nicht vermeidet, wenn auch mit inadäquaten Mitteln.

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