Endlich mal jemand, der das Kind beim Namen nennt! Ein Alarmsignal für die Landespolitik. Bravo, endlich jemand, der das Problem in seiner ganzen Tiefe versteht!

Aber, Moment! Ein Alarmsignal (...), wenn der Anteil der Schulschwänzer in Hannover mehr als doppelt so hoch ist wie in München, huch, ist die Anziehungskraft der EXPO doch grösser, als uns in den Medien immer weisgemacht wird?!

Nein, halt! So war das nicht gemeint! Das Problem ist viel perfider, viel heimtückischer: Herr Wulff weist darauf hin, dass zwischen Schuleschwänzen und der Entstehung von Jugendkriminalität ein Zusammenhang bestehe. Ach, welch ein Geistesblitz, welch hochgeistige Ergüsse des menschlichen Intellekts, Herr Wulff! Natürlich müssen diese armen Kinder kriminell werden, die abgrundtiefe Langeweile treibt sie geradezu dahinein, oder glauben Sie an das kriminelle Gen im Kind?

Aber es gibt Hoffnung in der Dunkelheit! Dank WULFF-MAN: Herumlungernde Jugendliche werden kontrolliert und notfalls auch mit dem Streifenwagen in die Schule gebracht. BOOOING-CRAASHH-BOOOM-LALÜLALA!!! DIE LÖSUNG! Na, da freuen sich die Herren und Frauen SchulleiterInnen und KlassenlehrerInnen aber, die ganze Schule ist aus dem Häuschen, wenn wieder mal das Blaulicht blinkt. Welch ein Auftritt, zur Schule mit Polizeischutz, solch Erlebnis ist sonst nur Kindern von Staatsmännern und -frauen vergönnt.

Im Ernst, Herr Wulff, war das Frühjahr zu heiß, ist das gegenwärtige Regenwetter zu deprimierend? Oder wie kommen Sie zu solch unsäglichen Schlüssen??? Sollen in Zukunft wirklich Kontaktbereichsbeamte in die Spielkonsolenabteilungen der Kaufhäuser abgeordnet werden, um herumlungernde Jugendliche aufzuspüren? Die Polizei hat doch zur Zeit wirklich genug Probleme, sich das notwendige Fachwissen über Kampfhunde anzueignen, bei Nintendo, Sega, Pokemon & Co werden sie erst recht keine Sonne sehen...

Nein, Herr Wulff, Sie bleiben standhaft, hart und konsequent: Schulschwänzer (sind) häufig die arbeitslosen Sozialhilfeempfänger von morgen. Faszinierend diese Logik, völlig überzeugend. Absolut Recht haben Sie, wie soll mensch auch anders (über-)leben, wenn er oder sie nichts gelernt hat?!

Mit Verlaub, die Lösung, die Sie favorisieren ist nichts anderes als populistische Stammtischmentalität, Herr Wulff! Einigen wir uns doch zunächst darauf, dass SchulschwänzerInnen im Grunde SchulverweigerInnen sind, o.K.?! Welche Gründe kann es geben, dass Kinder und Jugendliche Schule ablehnen oder verweigern? Ist sie nicht interessant genug, wird sie vielleicht individuell sogar als abwertend, entwürdigend oder unnütz eingeschätzt? Haben die besagten Kinder und Jugendlichen vielleicht irgendwelche anderen Schwierigkeiten oder Probleme, die sie an einem geregelten Schulbesuch hindern? Schon mal darüber nachgedacht? Was haben Sie gerade gesagt, Herr Wulff...?

Nutzen Sie das Sommerloch doch einmal für die Überlegung, wie Schule für alle Kinder und Jugendlichen wieder attraktiver werden kann! Oder denken Sie, nicht nur einmal, darüber nach, wie Kinder und Jugendliche außerschulische Probleme konstruktiv bewältigen können, o.K.?! Und setzen Sie Ihre Regierungs- und OppositionskollegInnen im niedersächsischen Landtag von diesem Thema in Kenntnis. Dann bewahren Sie uns (die PädagogInnen) in Zukunft vor obigen Nonsens-Lösungen.

Schulverweigerung als kriminelles Einstiegsdelikt? Nein danke!

Tja, Sie haben sich ja Mühe gegeben und Gedanken gemacht, aber leider das Thema verfehlt und dann auch noch von den Bayern abgeschrieben...

...also, mangelhaft, Wulff, setzen!

...und herzlichen Glückwunsch zum Goldenen Schaf des Augenblicks, Herr Wulff!

(C) M. Kühn, 07/2000

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